Essen mitgestalten
10 Milliarden Menschen werden im Jahr 2050 voraussichtlich auf der Erde leben. „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ lautet auch der neueste Dokumentarfilm von Regisseur Valentin Thurn („Taste the Waste“, 2011). Er stellt die Frage, inwieweit das bestehende Ernährungssystem dieser Zahl noch Stand hält. Während die Bevölkerung wächst, werden die Ressourcen immer knapper und viele Menschen glauben, daran nichts ändern zu können. Parallel zum Kinofilm gründete Thurn den Verein Taste of Heimat, welcher wiederum die gleichnamige Online-Plattform entwickelte. Sie informiert Verbraucher darüber, wie sie sich bestmöglich mit Lebensmitteln aus ihrer Umgebung versorgen können. Sie begreift sich als direktes Bindeglied zwischen regionalen Lebensmittelerzeugern und interessierten Konsumenten. Der Nutzer entdeckt auf der Seite Bauern, Einkaufskooperativen und Selbsternte-Gärten in seiner Umgebung.
Theorie in die Praxis umsetzen
Die Konsumenten werden mit einem Assistenten, dem sogenannten „Tasteomat“ gelenkt: Klicken sie auf „ich will selbst Hand anlegen“, werden sie zur Solidarischen Landwirtschaft oder den Selbsternte-Gärten geleitet, wollen sie einfach Regionales kaufen, gelangen sie zum Hofladen oder Händler. Taste of Heimat ist ein niedrigschwelliges Angebot für Verbraucher, die sich ohne Vorkenntnisse über regionale Lebensmittel in der Umgebung informieren möchten. Mit seinem Erfolgsfilm „Taste the Waste“ konnte Valentin Thurn bereits zeigen, dass es möglich ist, eine theoretische, filmische Auseinandersetzung in die Praxis zu übertragen und so gesellschaftliche Veränderung zu bewirken: „Taste the Waste“ führte zu einer europaweiten Bewegung gegen Lebensmittelverschwendung, die letztendlich in der Gründung der Online-Plattform „Foodsharing“ mündete.
Erster Ernährungsrat in Deutschland
Der Verein Taste of Heimat möchte Akteure zusammenzubringen, die am selben Thema, aber oft nebeneinander und nicht miteinander arbeiten. Die Ernährungspolitik soll zurück in die Regionen und auf die kommunale Ebene gebracht werden. Zudem will Taste of Heimat aufklären, inwiefern unser Konsumverhalten eng mit den Problemen der Welternährung zusammenhängt. Im Frühjahr 2016 initiierte der Verein in Köln die Gründung des ersten Ernährungsrats in Deutschland. In Zusammenarbeit mit der kommunalen Verwaltung erarbeitet das 30-köpfige Gremium eine Ernährungsstrategie für die Millionenstadt. Zu den Mitgliedern gehören Landwirte, Gastronomen, Lebensmittelhersteller, Vertreter von Initiativen und engagierte Bürger, aber auch zehn Vertreter aus Politik und Verwaltung.
Nachhaltigkeit: keine Frage des Geldes
Mehr Menschen sollen einen Zugang zu regional und nachhaltig produzierten Lebensmitteln erhalten. „Dies darf keine Frage des Geldes sein, sondern des Wissens und der Bezugsmöglichkeiten“, erklärt Taste of Heimat-Vorstand Katharina Schwartz. Deshalb fördere der Ernährungsrat unter anderem Bildungsangebote und Direktvermarktungsinitiativen. „Die Zusammenhänge zwischen unserem Kaufverhalten und den Produktionsbedingungen von Lebensmitteln müssen allen klar sein. Denn wir beeinflussen mit unserer Kaufentscheidung, ob die wenigen noch verbliebenen kleinbäuerlichen Betriebe in einigen Jahren noch existieren oder nicht.“ Für Ernährungsratsmitglied Peter Zens, Landwirt auf dem Erlebnisbauernhof Gertrudenhof in Hürth, ist das Thema Ernährungsbildung zentral: „Ich möchte mit meinem Engagement dafür sorgen, dass sich etwas in den Kindergärten und Schulen tut. Unsere Kinder sollen durch aktives Mittun wieder einen Bezug zu Lebensmitteln und zum Thema Ernährung bekommen.“